Wird Paid Content überschätzt?

Lesende zeigen angeblich eine wachsende Zahlungsbereitschaft für digitale Inhalte im Internet. Ist das wirklich so? Worauf sollten Verlage bei einer gesunden Paid-Strategie achten?

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Digital-Abos sind groß in Mode. Aber sind sie auch nachhaltig?
Forward Publishing, The New York Times

Paid-Inhalte sind in diesem Jahr für viele Publisher ein Fokus-Thema. Ziel ist es, mehr Einnahmen mit digitalen Abonnements und Onlinewerbung zu generieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Reuters Institute for the Study of Journalism zu den Wachstums-Strategien der Publisher im Jahr 2022.

Demnach wollen die Verlage dem Abwärtstrend des Abo-Geschäfts aus dem letzten Jahr mit Produkterweiterungen, Rabatten und Preisstaffelungen begegnen oder weitere Premiumprodukte einführen. News-Start-up Axios legt hier etwa mit einem 1.800 US-Dollar teuren Premium-Newsletter für „Dealmaker“ vor.

Doch ist die Konzentration auf Paid-Angebote wirklich der Königsweg der Verlagsbranche, um sinkenden Werbeerlösen zu begegnen? Ist die angeblich wachsende Zahlungsbereitschaft der Nutzer:innen von digitalen Inhalten wirklich so groß wie behauptet?

Zahlungsbereitschaft ungleich Preisakzeptanz

Florian Bauer, Honorarprofessor in Behavioral Pricing an der TUM School of Management der TU München, sagt im Interview mit Medieninsider, Zahlungsbereitschaft gibt es gar nicht. „Der Begriff Zahlungsbereitschaft ist psychologisch völlig irreführend. Die mikroökonomische Theorie geht davon aus, dass die Menschen einen maximalen Preis im Kopf haben, den sie zu zahlen bereit sind. Dieser wäre dann vorgegeben, und die Unternehmen könnten nur noch darauf reagieren. Aber die Menschen handeln nicht so, die meisten von ihnen wissen nicht im Voraus, was sie maximal zahlen würden. Sie gehen weniger rational an die Preise heran und entscheiden viel spontaner, aber recht vorhersehbar. Deshalb sprechen wir auch von Preisakzeptanz.“

Was sagt dieses Missverständnis über die Zukunft der Abo-Strategien der Verlage aus? Journalist und Digitalberater Thomas Knüwer hat sich kürzlich in seinem Artikel „Warum Paid Content Verlage (so) nicht retten wird“ mit dieser Frage auseinandergesetzt.

Generell leiden Abo-Angebote im Journalismus an mehreren Problemen. Die Anzahl der Abos für Zeitungen oder News-Magazine, für die eine Person zahlt, ist begrenzt und die Konkurrenz gewaltig. Wer will mehr als eine Zeitung abonnieren und warum? Es entsteht ein starker, etwa durch Regionalität oder erwartete Qualität beeinflusster Wettbewerb.

„Ich weiß erst nach Konsum eines Nachrichteninhalts, ob er meinen Qualitätsansprüchen genügt“, schreibt Knüwer. Und: „Ich weiß vor dem Konsum bereits, dass ich diesen Inhalt mit immens hoher Wahrscheinlichkeit nur ein einziges Mal konsumieren werde.“ Das beeinflusst direkt den Preis, den Nutzende möglicherweise bereit sind, für einen Inhalt zu zahlen.

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„Alles auf den Tisch packen“ ist keine gute Paid-Strategie

Verlage reagieren darauf mit Paketangeboten um Kund:innen einen Mehrwert durch besonders umfangreiche Angebote zu liefern. „Die Verlage neigen dazu, alles, was sie haben, auf den Tisch zu legen“, sagt Florian Bauer. „Dabei vermischen sie Produkte und Angebote zu einer riesigen Anzahl von Optionen. Das ist ein Fehler. Im Gegenteil: Je mehr ich anbiete, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kaufentscheidung aufgeschoben wird, weil die Vielfalt die Menschen verwirrt oder zumindest verunsichert. Manche Produkte sind für mich als Kunden gar nicht relevant.“ Es käme darauf an, sich Gedanken darüber zu machen, was Kund:innen wirklich wollen und diese Produkte gezielt anzubieten.

Dann ist da noch der Preiskampf. „Viel zu oft werden einfach die Preise gesenkt, weil die Leute das als Allheilmittel sehen“, erläutert Bauer. „Ungerechtfertigte Rabatte lassen immer Zweifel an der Qualität des Produktes aufkommen.“ Das zeigt sich auch in den Angebotspreisen verschiedener Verlage, die immer wieder Abo-Angebote im einstelligen Euro-Bereich anbieten. Dass das die Kosten für guten Journalismus, geschweige denn für eine gute technische Infrastruktur nicht deckt, liegt auf der Hand.

Abo-Modelle und Paid Content brauchen gute inhaltliche Argumente

„Bezahlte Inhalte online stehen in direktem Widerspruch zu einem Medium, dessen Ziel die Gewinnung möglichst vieler Leser ist“, führt Knüwer aus. „Denn je breiter meine Zielgruppe, desto austauschbarer werden meine Inhalte. Und je austauschbarer die Inhalte, desto geringer die Zahlungsbereitschaft.“

Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer im Journalismus auf das Abo-Modell als signifikante Einnahmequelle setzen möchte, muss spezielle, einzigartige und hochwertige Inhalte anbieten und nichts, was es anderswo gratis gibt.

Das benötigt wiederum gut bezahlte Journalisten und viel Zeit – hier beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz. Denn Verlage kürzen lieber, als zu investieren, und zwar oft an falscher Stelle. Die Strukturen und Prozesse der Verlage sind weit davon entfernt, ein gesundes digitales Fundament zu haben.

Knüwer schreibt: „Seit ich mich 2012 mit meiner Digitalberatung kpunktnull selbständig machte, musste ich erkennen: Keine Branche ist in Sachen Strukturen und Prozesse so schlecht aufgestellt wie Medienhäuser. Und: Es scheint ihnen tatsächlich egal zu sein.“ Wie will ein Verlag, der mit völlig ineffizienter und veralteter IT versucht, seine überholte Print-Strategie ins Digitale zu retten, breitflächig Lesende in zahlende Kund:innen konvertieren?

Knüwer zählt einige Maßnahmen auf, die Medienhäuser ergreifen sollten, um sich zukunftssicher aufzustellen:

  • "Prozesse und Strukturen digitalisieren und professionalisieren"
  • "Radikale Kundenorientierung"
  • "Umbau der Redaktion um paid-content-fähige Inhalte erzeugen zu können"
  • "Strategische Mischfinanzierung inklusive neu gedachter Onlinewerbung"
  • "Community Building"
  • "Realistische Preisgestaltung"
  • "Investition in Experimente"

Auch Florian Bauer hat einen wichtigen Ratschlag: „Verlage mussten und müssen lernen, ihre Produkte zu erklären, sie dem Leser nahe zu bringen. Und vor allem müssen sie noch lernen, Produkte kundenorientiert zu entwickeln.“

Forward Publishing unterstützt bei der digitalen Transformation von Verlagen

Unter dem Motto „Mehr Content. Weniger IT“ fördern wir erfolgreich den digitalen Wandel in Verlagshäusern wie dem Berliner Verlag. Mit einem effizienten Redaktionssystem und der Multi-Channel-Distribution können sich Verlage auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: gute Inhalte, die sich dann wiederum über Abos und andere hochwertige Paid-Angebote monetarisieren lassen.

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