Neue Geschäftsmodelle, Marketing im Journalismus und warum Publisher auf Künstliche Intelligenz setzen

Wie passen Marketing und Journalismus zusammen? Außerdem: Lokale Nachrichtenunternehmen entdecken neue Geschäftsmodelle und Publisher setzen auf Künstliche Intelligenz.

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Laut einer Umfrage soll Künstliche Intelligenz für Verlage künftig sehr wichtig werden.
Forward Publishing, Markus Spiske - Pexels

Lokaler Journalismus: Geschäftsmodelle, die funktionieren

Der Bericht “Local Media Survival Guide 2022” des International Press Institute (IPI) stellt den Innovationsgeist von lokalen Nachrichtenunternehmen aus Asien, Afrika, Lateinamerika, dem Nahen Osten und Osteuropa vor.

„Lokaler Journalismus ist der Bereich im Nachrichtenjournalismus, der am stärksten im Umbruch ist“, schreibt Jacqui Park, Autorin des Reports. „Lokale Medien können das Abo-Modell nationaler Nachrichtenunternehmen aufgrund der Regionalität und der geringeren Größe ihres Publikums nicht so einfach übernehmen. Hinzu kommt, dass die Leserschaft in ländlichen Gebieten oftmals nur über ein geringes Einkommen verfügt.“

Innovative und kreative Geschäftsmodelle sind gefragt, die sich an der individuellen Lebensrealität der Leser:innen orientieren und zusätzlich genug Umsatz generieren. Ein Beispiel dafür ist 263Chat, ein Medienunternehmen aus Zimbabwe, das auf kostengünstige e-Paper im PDF-Format setzt. Vertrieben werden sie über 200 WhatsApp-Gruppen die über 50.000 Nutzende erreichen, selbst in abgelegenen Gebieten. Der Verlag erzielt seine Einnahmen durch Anzeigen in den e-Papers und bietet Multimedia-Services wie Live-Streaming für lokale Unternehmen an. Derzeit entwickelt die Redaktion eine SMS-Plattform für die Verbreitung von Nachrichten, die Abonnent:innen kostengünstig nutzen können.

Ein weiteres Beispiel ist die Zeitung El Surtidor aus Paraguay, die sich auf visuelles Storytelling spezialisiert hat. In den sozialen Medien und auf ihrer Website veröffentlichen sie täglich illustrierte Informationen in Form von animierten Videos, Memes, Infografiken oder Vignetten mit Geschichten und Erklärungen zu aktuellen Themen. „Visuelles Storytelling ist ein sehr wirkungsvolles Mittel, um die ‚Infodemie‘ abzuschwächen, die Aufmerksamkeit für journalistischen Arbeit zu verstärken und die Interaktion mit neuen Zielgruppen und das Community-Management zu vertiefen“, sagt Mitgründer Alejandro Vazquez.

Die visuellen Formate erreichen jede Woche 200.000 Menschen. Zusätzlich hören 10.000 Abonnenten wöchentlich den Podcast, der über WhatsApp und ein Netzwerk lokaler Radiosender verbreitet wird. El Surtidor generiert seine Umsätze neben der eigenen journalistischen Produkte vor allem mit seinem Beratungsdienst „La Fábrica Memética“, das Institutionen in visueller Kommunikation berät und ihrer Akademie „Latinográficas“, die Nachwuchskräfte in den Bereichen Grafikdesign, Journalismus und Illustration ausbildet.

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Die hier vorgestellten Case Studies sind zwei von zahlreichen Ansätzen, die Jacqui Park in ihrem Bericht vorstellt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass es kein einheitliches Modell gibt, das für alle lokalen Nachrichtenmedien gleichermaßen funktioniert. Die Experimentierfreude und die daraus gewonnen Erkenntnisse könnten in abgewandelter Form auch anderen lokalen Medienunternehmen dabei helfen, nachhaltig zu wirtschaften. Daher setzt sie sich für einen globalen Austausch lokaler Medien ein, die sich gegenseitig unterstützen.

Zum vollständigen Bericht: Local Media Survival Guide 2022

Marketing und Journalismus: Ein Grund zum Optimismus?

James Breiner, Medienberater und Experte für unternehmerischen Journalismus, plädiert für mehr Marketing in den Redaktionen. In einem Beitrag erinnert er sich daran, wie verpönt die Anzeigenabteilung seinerzeit unter Journalist:innen war. „Wir wollten damit zum Ausdruck bringen, dass wir uns niemals dazu herablassen würden, etwas zu schreiben, das den Werbekunden gefällt. Wir sahen uns selbst als unparteiisch, objektiv und der Suche nach der Wahrheit gewidmet, was auch immer das sein mag.“

Der Zusammenbruch des alten Geschäftsmodells hat Journalist:innen laut Breiner schließlich erkennen lassen, dass es beim Marketing in Wirklichkeit darum ginge, den Lesenden zu dienen. “Jetzt sind die Werbekunden aus Print und Rundfunk in den digitalen Bereich gewechselt und die Publikationen müssen sich um die finanzielle Unterstützung der Nutzer:innen bemühen.”

Das gelingt laut Breiner am besten, wenn Redaktionen die Bedürfnisse der Nutzenden in den Mittelpunkt stellen und den Wert des Journalismus für die Gesellschaft als Ganzes aufzeigen. Marketing könne der Medienbranche dabei helfen.

Als Beispiel dieser neuen Mentalität zitiert er Slogans und Werbekampagnen für Zeitungen, etwa vom britischen The Guardian: „Wir möchten Sie einladen, sich den mehr als 1,5 Millionen Menschen in 180 Ländern anzuschließen, die uns finanziell unterstützen, damit wir für alle offen zugänglich und unabhängig bleiben … Jeder Beitrag, egal wie groß oder klein, stärkt unseren Journalismus und sichert unsere Zukunft. Unterstützen Sie den Guardian schon ab 1 € - es dauert nur eine Minute. Vielen Dank.“

Die Botschaft zeigt Wirkung. Die Publikation ist konträr zum vorherrschenden Trend zu Paid Content online nach wie vor kostenlos und hat eine Million zahlende Leser:innen gewonnen, darunter 580.000, die einfach für den guten Zweck spenden. Laut Breiner ist das nur durch gutes Marketing möglich.

Über 75 Prozent der Publisher setzen auf KI - Warum?

Laut einem Bericht der World Association of News Publishers (WAN-IFRA) wird für 75 Prozent der befragten Publisher Künstliche Intelligenz im Jahr 2024 eine wichtige Rolle in ihrer Geschäftsstrategie spielen.

Auch kleinere Verlage schrecken nicht vor technologischen Innovationen zurück. Sie sehen kostengünstige Möglichkeiten in der Kooperation mit Start-ups, Universitäten oder Laboren. Die Bereitschaft in Innovationen zu investieren ist also allgemein groß. Allerdings ist der Status Quo ein anderer: Es gaben fast 50 Prozent der Befragten an, dass sie KI bisher noch nicht eingesetzt hätten. Nur 19 Prozent haben mehrere Anwendungsfälle implementiert und 11 Prozent setzten davon einen vollständig um.

Der Bericht zeigt, dass die Berührungsängste zwischen Künstlicher Intelligenz und Journalismus schwinden und Redakteur:innen die Vorteile der Automatisierung von redaktionellen Prozessen erkennen. Sie können sich dadurch mehr auf die Erstellung hochwertiger Inhalte konzentrieren – das Kerngeschäft eines Verlags und die eigentliche Wertschöpfung.

Auch in der Analyse des Leseverhaltens erweisen sich KI-Tools als nützlich. Sie liefern dabei nicht nur Daten über die Beliebtheit einer Story. Innovative KI-Tools können Vorhersagen darüber treffen, welche Artikel zu welchem Thema in Zukunft besonders vielversprechend sind und – was noch wichtiger ist – welche Storys auf der Grundlage historischer Daten zu Abonnements und Nutzer-Engagement konvertieren könnten.

Das hat auch Adrian Basson, Chefredakteur von News24 in Südafrika festgestellt: „Analysen sind heute viel intelligenter als reine Seitenaufrufe und insbesondere KI-Tools haben uns dabei geholfen, Gelegenheitsleser:innen in Abonnent:innen umzuwandeln und ein Geschäft mit Lesereinnahmen aufzubauen, das unseren Newsroom stetig vergrößert hat,“ erklärt er. „Dadurch können wir besseren Journalismus machen – und das ist ein schöner Kreislauf.“

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